Nord- & Ostsee: Windkraft in Konflikt mit Umwelt & Natur
Größer, stärker, und viel mehr – vor allem in der Nordsee soll der Ausbau der Windenergie vorangetrieben werden. Dies, um den Energiebedarf der Zukunft zu sichern und die politischen Forderungen nach Klimaneutralität zu erfüllen.
Windkraftverbände, Netzbetreiber (u.a. 50Hertz) und Energiekonzerne (z.B. Vattenfall) fordern Planungssicherheit und mehr Tempo. BUND, BfN, Deutsche Umwelthilfe, NABU und WWF haben Bedenken – sie sorgen sich um Natur und Umwelt.
Doch das eigentlich Verrückte ist: Weltweit gibt es Planungen für den Ausbau von Öl, Gas und Kohle!
Zur Info für Schulen: Dieses Thema hat etwas mit folgenden Nachhaltigkeitszielen (SDGs) der UN zu tun und kann umfangreich diskutiert und vertieft werden:
In anderen Ländern wird in Zukunft sogar mehr fossile Energie gewonnen?
Überall auf der Welt werden neue Projekte zur fossilen Energiegewinnung geplant. “Kohle in Indien, Indonesien oder Russland, Öl in den USA oder in den arabischen Ländern. Selbst in Großbritannien und Norwegen wurden neue Förderlizenzen vergeben. Dazu kommt flüssiges Erdgas (LNG), das neue “fossile Gold”. Hier steht der Welt eine massive Ausweitung der Kapazitäten bevor”, schrieb die Süddeutsche Zeitung am 10.11.2023. Doch Gas bleibt Gas … und die LNG-Gewinnung ist zudem durch Fracking schlecht für Umwelt & Natur.
Die Informationen stammen aus dem “Production gap Report” der UNEP vom 8.11.2023.
Den darin enthaltenen 20 Länderprofilen ist zu entnehmen, dass die meisten weiterhin erhebliche politische und finanzielle Unterstützung für die Produktion fossiler Brennstoffe leisten. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass Regierungen planen, im Jahr 2030 rund 110 % mehr fossile Brennstoffe zu produzieren, als mit einer Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C vereinbar wäre, und 69 % mehr, als mit 2 °C vereinbar wäre.
Klimaexperten warnen: Mehr fossile Energie bedeutet mehr Co2-Emissionen, die den Klimawandel anheizen.
Deutschland will dafür Windkraft massiv ausbauen

Offshore-Windkraftanlagen werden in Zukunft gigantische Ausmaße erreichen. Bis zu 380 Meter hoch sollen sie werden und sind damit größer, als das aktuell größte Hochhaus von Deutschland! Das größte Hochhaus ist derzeit (11/2023) der Commerzbank-Tower in Frankfurt. Er misst 259 Meter, siehe Foto.
Auch die Leistung wird deutlich höher! Bislang bringen Windkraft-Anlagen bis zu 10 Gigawatt. Doch laut der Bundesregierung soll die Leistung bis 2030 auf 30 Gigawatt steigen; bis zum Jahr 2045 sogar auf bis zu 70 Gigawatt. Dies, um die Frist für die Erreichung der CO2-Neutralität laut Bundesklimaschutzgesetz einhalten zu können.
Dazu werden die vielen neuen, größeren Windräder weit draußen auf dem offenen Meer stehen, wo der Wind stärker weht – bis zu 190 Kilometer von der Küste entfernt.
Dabei wird zunächst möglichst küstennah und später küstenfern gebaut, denn: je weiter weg vom Land Windkraftanlagen stehen, desto länger müssen unter anderem die Trassen für den Stromtransport sein. Und das allein ist schon schlecht für Umwelt und Natur.
Experten-Meinungen:


“Offshore-Windkraft hat eine Reihe von großen Vorteilen – hoher Kapazitätsfaktor, Unsichtbarkeit von Land, höhere Windgeschwindigkeiten als an Land, etc.” teilte Prof. Dr. Stefan Emeis, Meteorologe (apl. Professor in Köln, ehemals tätig am KIT) mit.
Bau & Betrieb von Windkraft-Anlagen bringen Probleme mit sich
Bei der Vorstellung des Flächenentwicklungsplan für die Nordsee wurde beispielsweise über Themen gesprochen wie:
- Umwelt- und Naturauswirkungen auf das Wattenmeer, einem UNESCO-Kulturerbe;
- Vogelschlag. Vor allem sind zahlreiche Kollisionen beim Zusammentreffen von nächtlichem Massenzug und Schlechtwetter-Ereignissen wahrscheinlich (WWF).
- Lärmbelästigung durch Schall beim Bau und Betrieb, welche insbesondere negative Folgen für Schweinswale haben.
- Sedimenterwärmung wurde als Problem genannt,
- die Schifffahrt könnte beeinträchtigt werden;
- Außerdem wird zum Bau der Anlagen oft Basalholz genutzt (Abholung des Regenwaldes … Quelle: SZ, WWF) und mit diversen Kunststoffen verbunden (wind-energie.de), welche derzeit kaum recycelbar sind.
- usw.
WWF-Vertreterin Carla Langsenkamp informierte:
“Die Nord- und Ostsee sind in schlechtem Zustand und ihre Artenvielfalt schwindet. Daher muss der Ausbau der Windenergie auf See naturverträglich erfolgen und zwingend mit den Verpflichtungen Deutschlands zum Natur- und Meeresschutz vereinbar sein.”
Weiterhin: “Das bedeutet für uns als WWF vor allem: In Meeresschutzgebieten dürfen keine Windparks erbaut werden, Eingriffe in die Meeresnatur sind möglichst gering zu halten und es muss ein realer Ausgleich für den Bau von Windparks und Kabeltrassen zugunsten der Meeresnatur erfolgen. Außerdem müssen von vornherein die Flächen für Windparks so ausgesucht werden, dass Vögel, Schweinswale und andere Schutzgüter, wie beispielsweise Riffe, so wenig wie möglich in Mitleidenschaft gezogen werden.”
Mehr Informationen von ihr zum Thema, siehe Link.
Ähnliches meint auch das BfN: “Zum Schutz von Schweinswalen sind zum Beispiel Rammungen von Fundamenten für Offshore-Anlagen ohne aktiven Schallschutz unzulässig. Zudem sind jahreszeitenunabhängig etablierte Lärmschutzwerte einzuhalten und umfangreiche Maßnahmen zur Schallminderung, zum Beispiel so genannte Blasenschleier, einzusetzen. So soll verhindert werden, dass marine Säugetiere wie der Schweinswal – im Übrigen die einzige in deutschen Gewässern vorkommende Walart – verletzt oder getötet werden.”
Abschließend meinte sie: “Ein naturverträglicher Ausbau der Offshore-Windenergie ist grundsätzlich möglich, wenn gesetzliche Vorgaben eingehalten und wissenschaftliche Empfehlungen umgesetzt werden.”
Professor Emeis wurde noch gefragt, ob viel Windkraft nicht auch viel mehr Wasserdampf erzeugen würde, welcher für Starkregen sorgen könnte? Zu diesem Thema gibt es bereits einen umfangreichen Artikel, siehe Link.
Emeis antwortete: “Wasserdampf ist ein wichtiges Klimagas und ein großer Energieträger im globalen Wettergeschehen. Der durch Offshore-Windkraft möglicherweise zusätzlich durch erhöhte Verdunstung in die Atmosphäre eingetragene Wasserdampf ist aber gegenüber dem in der Atmosphäre ohnehin vorhandenen Wasserdampf mengenmäßig so unbedeutend, dass derzeit nicht mit einer Rückwirkung auf das Klima gerechnet werden muss.
Mehr Informationen von ihm zum Thema, siehe Link.
Redaktion: Was nützt es, wenn Deutschland Windkraft trotz vieler Nachteile ausbaut, aber in anderen Ländern immer mehr fossile Energie erzeugt wird?
Emissionen, Wetter und Klimaveränderungen machen schließlich nicht an Landesgrenzen halt!
Quellen:
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Bundes-Klimaschutzgesetz
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Production gap Report der UNEP
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Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie
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Flächenentwicklungsplan für die deutsche AWZ der Nord- und Ostsee > PDF
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Statista-Grafik: IEA, & Global Carbon Atlas. (15. September, 2022). Energiebedingte CO2-Emissionen pro Kopf weltweit nach ausgewählten Ländern im Jahr 2021 (in Tonnen) [Graph]. In Statista. Zugriff am 16. November 2023, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/167877/umfrage/co-emissionen-nach-laendern-je-einwohner/
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