Biobasierte Werkstoffe – Hoffnungsträger für eine nachhaltige Wirtschaft?
Biobasierte Werkstoffe gelten als umweltfreundliche Alternative zu erdölbasierten Materialien. Sie bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen, oft aus Abfall und sollen helfen, CO₂-Emissionen zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu stärken. Doch wie nachhaltig sind sie wirklich?
Biobasierte Werkstoffe sind Materialien, die ganz oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen wie Pflanzenfasern, Stärke, Zellulose oder pflanzlichen Ölen bestehen, oder sogar aus Tieren oder Mikroorganismen hergestellt werden. Die Norm NF EN 16575 (2014) definiert „biobasiert“ als aus Biomasse – also pflanzlichen oder tierischen Quellen – stammend.
Was hochwissenschaftlich klingt, kann aus ganz einfachen Überlegungen entstehen:
Berufsschüler:innen aus dem Kreis Stormarn hatten z.B. einmal die Idee, aus den Abfällen von Rapsfeldern – aus abgemähten, liegen gebliebenen Rapsstängeln – ein Material herzustellen, aus dem Einwegbecher produziert werden können.
Während die Schüler ihre Idee nur im Rahmen eines Schulprojekts verfolgten, hat z.B. die Firma FRONT aus Amsterdam (Niederlande) diesen Grundgedanken zum Business gemacht und produziert diverse biobasierte Materialien. Zum Beispiel ihre Produktreihe “CornWall” (Foto oben). Cornwall wird hauptsächlich aus Maisabfällen hergestellt und ist die nachhaltige Alternative für Innenwandverkleidungen (Foto rechts). Das Material ist klimapositiv und biologisch abbaubar.
Die Idee dahinter: Abfall weiterverarbeiten, Kunststoffprodukte vermeiden, Ressourcen schonen, CO₂ im Produktionsumfeld senken und generell neue Wege für nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen.
Moderne Rohstoffe – Anwendungen von Pilz bis Zuckerrohr
Biobasierte Werkstoffe sind längst keine Zukunftsvision mehr – viele innovative Rohstoffe befinden sich bereits im Einsatz.
- Verpackungen aus Pilzmyzel, das durch die Struktur von Pilzgeflechten geformt wird, bieten eine biologisch abbaubare Alternative zu Styropor.
- Textilfasern aus Agrar-Reststoffen wie Ananasblättern oder Bananenstämmen schaffen neue Wertschöpfung aus Nebenprodukten der Landwirtschaft.
- Auch Folien aus Zuckerrohr oder Polymerbeschichtungen aus Stroh zeigen, wie vielfältig pflanzliche Rohstoffe verarbeitet werden können.
Diese Rohstoffe und Materialein ersetzen erdölbasierte Kunststoffe in Verpackungen oder Konsumgütern und stoßen dabei auf wachsendes Interesse in Industrie und Design. Anwendungsbereiche sind z.B. Bauwesen (z.B. Holz, Bioverbundwerkstoffe), Automobilindustrie (Naturfaserverstärkte Kunststoffe), Verpackungen (biobasierte Kunststoffe), Textilien (Fasern aus Pflanzenölen, Leder aus Pilzgeflechten) und Chemische Industrie (biobasierte Grundstoffe).
Laut dem Bioökonomie-Portal des Bundes (biooekonomie.de) wird daran gearbeitet, solche Materialien nicht nur marktfähig zu machen, sondern auch ihre Eigenschaften – etwa Hitzebeständigkeit oder Reißfestigkeit – gezielt zu verbessern. Viele der Materialien stammen aus Abfall bzw. Rückständen, was sie nicht nur klimafreundlich macht, sondern tatsächlich nachhaltig.
Ein Video wie z.B. aus Brotresten ein Biokunststoff wird, siehe Link zu Youtube.
Zirkuläre Bioökonomie und Innovationspotenziale
Laut der Bertelsmann-Stiftung gelten biobasierte Werkstoffe als Schlüsseltechnologien auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Zukunft. Neben biobasierten Verpackungen, Textilfasern oder Folien kommen auch innovative Werkstoffe wie Schaumstoffe aus Agrarreststoffen, Klebstoffe aus Naturfasern oder das Polymer ‘PEF’ als Ersatz für ‘PET’-Flaschen zum Einsatz. Diese Entwicklung ist Teil einer übergeordneten Strategie: der zirkulären Bioökonomie.
Ziel dieser Strategie ist es, fossile Kohlenstoffquellen nicht nur zu ersetzen, sondern Stoffkreisläufe weitgehend zu schließen. In einer zirkulären Bioökonomie sollen Produkte nach ihrer Nutzung gesammelt, wiederaufbereitet und als Sekundärrohstoffe erneut eingesetzt werden. Erfolgreiche Beispiele wie das Papierrecycling zeigen das Potenzial geschlossener Kreisläufe auf. In anderen Sektoren wie Kunststoff oder Metall besteht hingegen noch großer Nachholbedarf.
Gleichzeitig dürfen die Herausforderungen und Schattenseiten nicht kleingeredet werden.
Die Bereitstellung biobasierter Rohstoffe ist oft noch teuer, technologisch anspruchsvoll und in Menge begrenzt. Ohne echte Zirkularität – also das Prinzip „nutzen, sammeln, wiederverwenden“ – droht auch die Bioökonomie an ihre ökologischen und wirtschaftlichen Grenzen zu stoßen. Deshalb wird es darauf ankommen, nicht nur neue Materialien zu entwickeln, sondern auch neue Geschäftsmodelle, Recyclingwege und Anreizsysteme zu etablieren.
Eine Einordnung entlang der 4 Dimensionen der Nachhaltigkeit:
- Ökologische Aspekte: Biobasierte Materialien haben das Potenzial, den CO₂-Ausstoß deutlich zu senken, da Pflanzen während ihres Wachstums CO₂ binden. Zudem werden keine fossilen Ressourcen verbraucht, und einige biobasierte Kunststoffe sind biologisch abbaubar. Kritisch zu sehen sind jedoch die Flächenkonkurrenz mit dem Nahrungsmittelanbau, mögliche negative Umweltwirkungen durch Monokulturen und der teils hohe Energieeinsatz bei der Verarbeitung.
- Soziale Aspekte: Die Bioökonomie kann neue Arbeitsplätze schaffen – vor allem in ländlichen Regionen – und regionale Wirtschaftskreisläufe stärken. Allerdings kann der steigende Bedarf an Agrarrohstoffen zu problematischen Arbeitsbedingungen und sozialen Ungleichheiten führen, etwa durch Landnutzungskonflikte.
- Wirtschaftliche Aspekte: Für Unternehmen bieten biobasierte Werkstoffe neue Marktchancen. Sie machen unabhängiger von Erdölimporten und fördern Innovation. Allerdings sind Produktionskosten aktuell meist noch höher als bei konventionellen Materialien. Gerade für kleine Unternehmen kann der Einstieg in den Markt eine Herausforderung sein.
- Governance (Politik & Verwaltung): Politisch wird die Entwicklung biobasierter Materialien vielfach unterstützt – etwa durch Förderprogramme und Strategien zur Bioökonomie. Doch es fehlt an einheitlichen Standards und klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Innovation fördern und Verbraucherorientierung erleichtern würden.
Dilemmata und Diskussionsfragen:
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- Stehen Rohstoffe für biobasierte Werkstoffe in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion?
- Wie kann garantiert werden, dass biobasierte Kunststoffe tatsächlich biologisch abbaubar sind?
- Wie lassen sich Umwelt- und Sozialstandards entlang der gesamten Lieferkette sicherstellen?
Ein Negativ-Beispiel: Maisanbau für Biogas und Bioplastik – ein Konkurrent der Nahrungsmittelindustrie.
Mais ist aufgrund seines hohen Methan-Ertrags eine bevorzugte Energiepflanze für Biogasanlagen. Außerdem gibt es z.B. Bioplastik, das größtenteils aus Maisstärke besteht – es ist wasserlöslich und rückstandsfrei verbrennbar. Allerdings werden dafür nicht nur Abfälle und Produktionsreste verwendet, sondern der Maisanbau stark intensiviert. Das führt zu mehreren Problemen:
- Biodiversitätsverlust: Monokulturen verdrängen vielfältige Lebensräume, was zu einem Rückgang der Artenvielfalt führt. (badenova, Deutschlandfunk, Wikipedia)
- Boden- und Gewässerbelastung: Der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden im Maisanbau kann zur Belastung von Böden und Gewässern führen. (NABU)
- Flächenkonkurrenz: Der Anbau von Mais für Biogas konkurriert mit der Nahrungsmittelproduktion um landwirtschaftliche Flächen. (Wikipedia)
- Klimabilanz: Die gesamte Produktionskette von Energiemais, einschließlich Anbau, Ernte und Transport, kann die Klimabilanz von Biogas verschlechtern. (Umweltbundesamt)
Diese Faktoren haben dazu geführt, dass Umweltverbände wie der NABU ein Ende der Nutzung von Mais zur Biogaserzeugung fordern (ZEIT online, 2025).
Fazit: Bio-Werkstoffe sind kein Allheilmittel, insbesondere dann nicht, wenn die Wertschöpfungskette und mögliche Auswirkungen nicht komplett betrachtet wurden. Aber: sie sind ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Zukunft.
Entscheidend ist, woraus und wie sie produziert, genutzt und recycelt werden.
Quellen
- Fotos: FRONT, Amsterdam (Niederlande), Pressefotos
- Umweltbundesamt: Biobasierte Kunststoffe
- NABU: Biogas aus Mais – Kritik und Folgen
- ZEIT Online (2025): [Umweltverbände fordern Ausstieg aus Mais-Biogasanlagen]
- BUND: Zirkuläre Bioökonomie
- Netzwerk Weitblick: Bioökonomie im Diskurs
- Bertelsmann-Stiftung
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