Experimentierklausel: 4plus1-Projekttage möglich

Nachhaltige Bildung, wie sieht diese aus? Im Rahmen des Nachhaltigkeitsziels “SDG 4 – Hochwertige Bildung” wird in Deutschland einerseits Digitalisierung / digitale Bildung als elementares Querschnittsthema besprochen; Bildung für nachhaltige Entwicklung zur Pflicht gemacht und die Vermittlung von Zukunftskompetenzen gefordert. Natürlich geht es auch um Chancengleichheit, Zugang zu frühkindlicher Bildung, und mehr. (SBS)
Doch wie ist all das bei wachsendem Lehrermangel erreichbar? Einiges mit einem 4plus1-Projekttag nach schleswig-holsteinischem Vorbild, ähnlich dem FreiDay.
Mit dem 4plus1-Projekttag kann einer von fünf Schultagen pro Woche als regelmäßiger fächerübergreifender Projekttag gestaltet werden, an dem insbesondere Zukunftskompetenzen (4K) gefördert werden. Durch die Einbindung externer Bildungspartner können Lehrkräfte entlastet werden!
Die möglichen fächerübergreifenden Projektthemen sind vielfältig! Grundlegend bieten sich für 4plus1-Projekttage BNE-Themen (Bildung für nachhaltige Entwicklung) an, beispielsweise mit Lernen-im-Freien / Draußen-Unterricht oder Online-Schülerzeitungen als digitale Lernprojekte (ext.Link), alternativ Forschertage, Robotik- oder Kunst-Werkstätten und vieles mehr. Auch mit der BNE-digital ist so ein 4plus1-Projekttag umsetzbar!
Grundidee stammt ursprünglich aus Kiel
Das 4 + 1 Konzept (in dieser Schreibform: 4 + 1) hat ein Lehrer an der Claus-Rixen-Schule in Kiel-Altenholz vor mehr als 10 Jahren zwecks “Fordern und Fördern” entwickelt. Dadurch sollte der Schulalltag besonders begabter Schüler:innen an einem Tag der Woche mit fachunabhängigen, selbstgesteuertem Lernen angereichert werden (siehe Bericht dazu von 2011 auf sii-kids.de). Heute noch steht das 4 + 1 Angebot auf der Website der Theodor-Heuss-Schule in Kiel (zuletzt abgerufen am 18.9.2023). Dort steht: “Seit dem Schuljahr 2010/2011 findet an der Theodor-Heuss-Schule das „4 + 1-Konzept“ statt, d.h. 4 normale Schultage und 1 Tag für das forschende Lernen in besonderer Lernumgebung für begabte Kinder.“
Leider hat das Bundesland Sachsen-Anhalt den Begriff in 2022 umgewidmet, und setzt das “4-plus-1-Modell” als einen Digitaltag pro Woche um, bei dem die Schüler:innen von Zuhause aus lernen, anstatt in der Schule.
Doch das 4+1 Konzept war ursprünglich ein Enrichment*-Angebot aus Schleswig-Holstein. Jetzt ein 4plus1-Projekttag für alle Schüler:innen.
* Enrichment: ein pädagogisches Modell zur Förderung von begabten, interessierten und engagierten Schülern.
“Warum gibt es nicht so einen fächerübergreifenden Projekttag für alle Schüler:innen, an jeder Schule? Das hilft auch gegen Lehrkräftemangel!”, meinte Susanne Braun-Speck schon 2022. Die Entwicklerin von Media4Teens & -Schools und Vorsitzende des Vereins sii-kids & -talents e.V. aus Reinfeld (Holstein) schrieb davon stichwortartig bereits im Community-Buch “Nachhaltige Bildung. Nachhaltige Schule” (Seite 176 z.B.); mehr dazu im Buch “Online-Schülerzeitungen als digitale Lernprojekte – auch im Unterricht”.
Dann erzählte sie im März 2023 von der Idee auf der Regionalkonferenz zur Experimentierklausel in Bad Schwartau. Und nun steht diese Gestaltungsmöglichkeit, allerdings ohne den Titel “4plus1”, im Rahmenkonzept von Schleswig-Holstein für das Schuljahr 2023/24 (Link zur PDF). Siehe Seite 18 unten rechts oder Screenshot (Link dazu).
Damit ist es amtlich: Schulen in SH können 4plus1-Projekttage einfach durchführen!
Grundsätzlich lassen sich die schulischen Vorhaben im Rahmen der Experimentierklausel in verschiedene Kategorien einteilen, heißt es im Rahmenkonzept. Kategorie A. wäre sofort durchführbar und benötigt keine besondere Erlaubnis oder Begleitung, weil es sich im Rahmen des Schulgesetzes bewegt, heißt es weiter. Beispiel: Die Schule löst zunächst an einem Schultag pro Woche den Fachunterricht in der Klassenstruktur auf zugunsten eines fächerübergreifenden, projektorientierten und selbstverantworteten Arbeitens der Schülerinnen und Schüler. Die erforderliche Aufsicht wird gewährleistet.
Weiter heißt es darin: “Vorhaben der Kategorie A können in aller Regel sofort begonnen bzw. durchgeführt werden nach vorheriger Rückkopplung mit der Schulaufsicht. In diesem Rahmen können auch kleine Veränderungen vor Ort ein großes Potenzial entfalten. Ein solche Änderung der schulischen Abläufe, wie sie z.B. von „FREI DAY“ unterstützt wird, ist besonders geeignet für die Befassung mit den Nachhaltigkeitszielen der UN und den „4-K-Kompetenzen“ (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, Kritisches Denken).“
Nun: 4plus1-Projekttage erfüllen all diese und noch mehr Kriterien! Zudem ist der Arbeitsaufwand für Lehrkräfte geringer, als bei FreiDays.
Während die Schüler:innen beim FreiDay konkrete Lösungen entwickeln und ihre Projekte direkt in der Nachbarschaft und Gemeinde umsetzen, finden 4plus1-Projekttage nur in der Schule oder direkt vor der Tür, im Umland, statt. Der Arbeitsaufwand, beispielsweise mit der Gemeinde zu kooperieren, entfällt. Außerdem können 4plus1-Projekte in der Regel jahrelang laufen; bei FreiDays ist das schwer vorstellbar, wenn “das Rad” nicht ständig neu erfunden werden soll.
Ein 4plus1-Projekttag kann beispielsweise so ablaufen:
- Begrüßung / Morgenrunde
- Ist-Situation besprechen (Wo stehen wir gerade mit unserem Projekttag?)
- Tagesthema bzw. -Arbeiten festlegen, dazu ggf. (digitale) Kreativ- und Projektplanungs-Methoden anwenden.
- Ggf. Experten-Lerneinheit vor der Selbstlernphase
- Freies, selbstbestimmtes Lernen & Arbeiten zu Zweit oder Gruppen (2-3 Stunden) – mithilfe von Lernbegleitern
- Präsentation von Arbeitsergebnissen bzw. Fortschritt / Status mitteilen
- Feedbackrunde und Eintragung im Lerntagebuch
Der 4plus1-Projekttag kann zunächst einmal probeweise stattfinden, aber soll im Grunde genommen ein fester Bestandteil im Stundenplan werden und regelmäßig stattfinden.
Dies entweder jeweils im Klassen- oder Jahrgangs-Verband, alternativ klassenübergreifend. Es bietet sich an, das 4plus1-Konzept bzw. den 4plus1-Projekttag zunächst mit ein oder zwei Jahrgängen an der Schule auszuprobieren, bevor sich die ganze Schule auf den Weg macht.
Natürlich findet der 4plus1-Projekttag während der Unterrichtszeit statt und soll Lehrkräfte entlasten! Das geht dadurch, dass externe Anbieter dafür eingesetzt werden können; begleitet beispielsweise durch studentische Aushilfen anstatt Lehrkräfte.
Da es einige Non-Profit-Anbieter gibt, einige Schulen mit besonderem Budget, alternativ ggf. Förderpartner / Stiftungen und die Möglichkeit, beispielsweise Geld-statt-Stellen-Mittel dafür einzusetzen, dürfte der 4plus1-Projekttag auch finanzierbar sein. Zunächst klingt es allerdings unwahrscheinlich, dass solche Projekttage flächendeckend finanzierbar sind – die Politik müsste das möglich machen. Was auch geht, denn festangestellte oder beamtete Lehrkräfte kosten mit allen Personalnebenkosten pro effektive Arbeitsstunde durchschnittlich 69 € / Stunde – dafür arbeiten auch freiberufliche Referenten und Dozenten. Da der Lehrermangel steigt, ist das wohl ein notwendiges politisches Vorhaben?
Bis es so weit ist, können Schulen vielleicht mit ein oder zwei Jahrgängen einen 4plus1-Projekttag einführen, um Schule – laut Experimentierklausel – neu zu denken!?
Herausforderung ist, dass 4plus1-Projekte die notwendigen Kriterien erfüllen müssen, wie beispielsweise: Projektorientierung, aber von langfristiger Dauer / nicht einmalig; fächerübergreifend, selbst aktive Gestaltungsmöglichkeit, Zukunftskompetenzen fördernd (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken), etc.
4plus1-Projektideen sammeln wir ab sofort (18.9.23) auf dem Padlet “4plus1-Projektideen”, auf dem Anbieter ihre Vorschläge selbst eintragen oder von Lehrkräften empfohlen sowie gefunden werden können.
Wer mag, kann auch den Newsletter dazu von Susanne Braun-Speck, vom sii-kids & -talents e.V. / Media4Schools, abonnieren.
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